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Thema: Philosophische Gedanken zu DSO

  1. #1
    Neuankömmling
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    Philosophische Gedanken zu DSO

    Ein paar philosophische Gedanken zu DSO

    Was macht eigentlich die Faszination von DSO aus? Wieso vereinnahmt uns dieses Spiel so sehr, sogar über Jahre hinweg? Was fühlen wir beim Spielen? Ich kann zwar nur für mich selbst sprechen, aber weil ich ein Mensch bin, wird es euch ähnlich ergehen.
    Da gab es 1994 einen Schlüsselmoment, als ich bei einem Freund zum ersten Mal die „Siedler“ auf dem Monitor wuseln sah. Das war eine technische Revolution und ein Kulturschock gleichermaßen. Noch nie zuvor gab es meines Wissens eine Spielgrafik mit Sprites. Das war fantastisch, es lebt! Da hats mich echt gepackt: Ich kann künstliches Leben erschaffen! Das ist göttlich ;-)
    Bald darauf gab es „Die Siedler 2“, ein geniales Meisterwerk des Genres. Ich habs gedaddelt bis zum Abwinken, eigene Welten editiert, mir unschlagbare Strategien ausgedacht (Festung im Hinterland zur Ausbildung der Soldaten, gezieltes Abreißen von überflüssigen Wachstuben und pfiffige Verteilung der Ressourcen auf die Lagerhäuser z.B.), und es hat mir unglaublich viel Spaß bereitet. Ich war ein Held, hab mich gefühlt wie der große Gottkönig. Die kleinen Männchen haben tatsächlich alles gemacht, was ich von ihnen verlangte, sofern ich das zugrundeliegende Spielprinzip (sozusagen die gegebenen S2-Naturgesetze) richtig verstand und auf mein Spiel anwendete.
    Irgendwann wurde mir dann aber die Engine (die künstliche Intelligenz) zu schlapp und ich verlor langsam das Interesse an S2. Es war einfach keine Herausforderung mehr, und mit dem Voranschreiten der Technik lief es auch nicht mehr auf meinem neuen Rechner. Ich verlagerte meinen Spieltrieb auf die Gitarre. Das war eine gute Entscheidung. Die folgenden Siedler-Varianten haben mich überhaupt nicht interessiert, geschweige denn begeistert.
    Das hat sich fatalerweise mit DSO geändert, speziell wegen der Möglichkeit, mit Anderen gemeinsam zu spielen, sich gegenseitig zu fördern und in Gilden zu organisieren. Dieser soziale Aspekt ist noch relativ neu in Computerspielen, bereichert sie aber gewaltig um eine menschliche Dimension und ist bei DSO sicher noch ausbaufähig.
    Spiele sind allgemein ein zerstreuender und erholsamer Zeitvertreib gemessen am Ernst des Lebens. DSO verlangt aber nach täglichem Spiel, um kleine Vorteile zu erhalten. Oberflächlich betrachtet steht zwar das Sammeln von Erfahrungspunkten und der Stufenaufstieg im Vordergrund, aber wegen der Einlogboni und der aufzufrischenden Förderungen schleicht sich DSO ins tägliche Leben, als wenn man fürs Spielen bezahlt würde (wird man ja auch mit imaginären Goldmünzen). Der Handel unterstützt diese Illusion sogar noch. DSO wird erstaunlicherweise irgendwie wichtig. Wenn ich daran denke, was ich in der ganzen schönen Spielzeit alternativ im realen Leben alles hätte anstellen können...
    Der künstlerische Aspekt ist auch nicht zu vernachlässigen. Meine Insel sieht, wie ich finde, einfach wunderschön aus. Sie kesselt permanent im grünen Bereich. Und je mehr Zeit ich in sie investiere, desto schöner und wichtiger erscheint sie mir. BlueByte hat sich bei diesen Effekt offensichtlich sehr viel Mühe gegeben. DSO wird zum Lebensinhalt, nimmt dabei pseudoreligiöse Züge an. Es wird zur Fluchtburg vor der deprimierenden Realität. Es wird zur Ersatzbefriedigung, weil unser geregeltes Leben aus Arbeit, Familie, gesellschaftlichen Verpflichtungen und vermeintlicher Sicherheit kaum Abenteuer für uns bereit hält, Ferien und Urlaub einmal ausgenommen. Oder bereitet sich hier vielleicht schon jemand auf einen Flug zum Mars vor? Da haben wir ja noch Platz zum Siedeln.
    Dann gibt es da unsere Helden: die Generäle, Entdecker und Geologen. Wir kennen jeden einzelnen sogar mit Namen, und sie haben alle ihre besonderen eigenen Profile, sprich spezifischen Fähigkeiten. Wie liebgewonnene Freunde wachsen sie uns ans Herz. Historische und literarische Persönlichkeiten erwachen hier zu neuem Leben, ob es sich dabei nun um Legolas, Caesar oder Marie Curie handeln mag. Wir lieben sie einfach.
    Seit dem Valentins-Event 2019 hat die Liebe ja erfreulicherweise ganz offiziell im Spiel Einzug gehalten. Und endlich haben wir ein paar Frauen als Spielfiguren in DSO, auch wenn sie nicht wirklich zur Vermehrung der Inselbevölkerung beitragen.
    Sex und illegale Drogen fehlen nämlich völlig, ohne dass man sie sonderlich vermissen würde. DSO bleibt kindgerecht und erlaubt auch prüden Spielern ziemlich kritiklose, schöne Erlebnisse. Dass wir dabei andauernd Krieg gegen die Bytes führen und mit Kohleabgasen unsere saubere Spielatmosphäre imaginär verschmutzen, tut der allgemeinen Faszination aber keinen Abbruch. Wir sind eben auch nur Menschen mit all unseren Unzulänglichkeiten und einer anscheinend natürlichen, unauslöschlichen Doppelmoral.
    Besonders interessant erscheint mir aus philosophischer Sicht, dass unsere Siedler forschen und Bücher produzieren, also nach Erkenntnisgewinn streben, so als hätten sie Bewusstsein und wollten die dem Spiel innewohnenden Naturgesetze entschlüsseln. Würden sie wohl bemerken, dass sie nur Figuren in einer Simulation sind? Können wir Menschen uns sicher sein, dass wir uns nicht in einer Simulation befinden? Was erkennen wir beim Blick durch ein Teleskop, und was sehen die Siedler, wenn sie durch ihr Observatorium schauen? Mich vielleicht, ihren Gott? Oder eine Matrix mit dualen Zahlen? Oder doch einen Sternenhimmel, der uns (Göttern) verborgen bleibt, genauso wie auch die dem Spiel hinterlegten Tabellen und Matrizen, die wohl selbst die (um noch eine Stufe göttlicheren) Programmierer manchmal nicht durchblicken?
    Im Gegensatz zu uns Menschen könnten die Siedler bemerken, dass sie nur in einer künstlichen Welt existieren, denn immer wieder verstößt BlueByte/UbiSoft gegen die selbstdefinierten DSO-Naturgesetze. Dann gibts Programmfehler und nicht geplante Spielzustände, die einer Sonderwartung bedürfen. So etwas ist uns in der realen Welt noch nie passiert. Unsere Naturgesetze ändern sich nie. Und wir können auch nicht gegen sie verstoßen. Stellt euch das mal vor! Echt lustig! Eine graue Häkchenkiste am Firmament mit der Meldung: Fataler Fehler! Dieses Universum wird beendet. OK.

    allzeit frohes Wuseln
    Pimo

  2. #2
    Architekt des Wuselimperiums Avatar von Gisela55122
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    Schön, das hat mir jetzt gefallen

  3. #3
    Federwolken Entfederer
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    super dankeschön, du sprichst mir aus der Seele... und es sind die kleinen Wuseler - die ich mag - Die Spiel-Designer sollten nicht den Fehler machen, daraus was anderes zu zaubern, wie in den späten CD Versionen. Die kleinen haben mich von anfang an fasziniert, als man noch eine CD einwerfen musste.

  4. #4
    Architekt des Wuselimperiums
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    Andosia
    Tolle Geschichte

    Ja Siedler2 war der Anbeginn eines tollen Spieles. Ich hab all erdenklichen Erweiterungen und auch gespielt, doch an Siedler2 ist keine Nachfolge mehr rangekommen.
    DSO ist im Prinzip eine Abwandlung von Siedler2 jedoch kommt es an den Spielspaß bei weitem nicht heran.

    All jenen die immer öfters und lauter nach neuen Inhalten schreien, empfehle ich mal Siedler2 in Urform zu spielen um zu sehen was Spaß macht !
    Geändert von rol20 (13.03.19 um 10:18 Uhr)

  5. #5
    Architekt des Wuselimperiums Avatar von Gisela55122
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    Schneefeuer
    Schade, dass Du SO wenig Rückmeldungen auf Deine Gedanken erhälst

    Aber wahrscheinlich sind die meisten hier im Forum damit einfach überfordert

  6. #6
    Neuankömmling Avatar von Asocs
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    Glitzerstadt
    Oder haben wenig Zeit. Sehr schön geschrieben, besonders das Gedankenspiel des letzten Absatzes gefällt mir. Ok!
    So etwas ist uns in der realen Welt noch nie passiert.
    Woher weißt du, dass so etwas noch nicht vorgekommen ist und unsere Erinnerung modifiziert wurde?
    Geändert von Asocs (15.03.19 um 09:41 Uhr)

  7. #7
    Neuankömmling Avatar von poldi_66
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    PimoSiedler, du sprichst mir aus der Seele....und auch noch sehr schön formuliert
    Geändert von poldi_66 (15.03.19 um 19:46 Uhr)

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